Nature & Themes

Rettet unsere „Knicks“

Vom Irrglauben der „Stock-Setz-Pflicht“

Wege zur Knickpflege mit Augenmaß

|| Kolumne ||

Knicks gehören zu den prägenden, überwiegend im 18. und 19. Jahrhundert angelegten Landschaftselementen in Schleswig-Holstein. Sie bieten Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten – darunter auch viele gefährdete Arten. Zudem üben Knicks wichtige Boden- und Klimaschutzfunktionen im waldarmen Schleswig-Holstein aus.1

Schleswig-Holstein im Schredder-Wahn

Alle Jahre wieder… nach Weihnachten, vor dem langersehnten sonnigen Frühling kommt der Schredder-Wahn. Vielen Menschen blutet dabei das Herz, wenn turnusgemäß ganze Landschaftsstriche dem Erdboden gleich gemacht werden. Was ganz offiziell als „Knickpflege“ legitimiert wird, ist in der Praxis oft ein achtloses Gemetzel mit Folgen für die Artenvielfalt, Biodiversität, Klimaschutz und letztlich oder gerade auch für uns Menschen.

Das wurde immer schon so gemacht.

Stop! Zeiten und Bedarfe ändern sich!

Der Klassiker! Aus der Verantwortung ziehen, in der dritten Person. Korrekt ist: Knicks sind vom Menschen geschaffene, mittlerweile kultur- und naturgeschichtliche Wallanlagen, bepflanzt mit heimischen Gehölzen. Was vor über 200 Jahren von der Obrigkeit angeordnet wurde, um die bäuerlichen Äcker auch optisch zu kennzeichnen und die Ackerfrüchte vor dem benachbarten Weidevieh zu schützen, diente mittelfristig der Eigenversorgung mit Holz.

Der Name Knick kommt von dem damals üblichen Knicken und Verflechten der gepflanzten Gehölze zu einem dichten, für das Weidevieh undurchdringlichen Zaunersatz.3

Gesetzlich geschützt – mit Recht!

Heute sind die sogenannten „Knicks“ als wertvoller Lebensraum anerkannt! Deutschlands Politik hat den Erhalt und die Bewahrung und Förderung von „Knicks“ im Bundes- und Landesnaturschutzgesetz (2010 und 2016) fest verankert und gesetzlich geregelt. Siehe auch die Durchführungsbestimmungen zum Knickschutz (2017).

„Knickschutzverordnung“ – verschiedene Interessen befrieden

Der als „Knickschutzverordnung“ bekannte Erlass zur Durchführung von Knickpflege wird oft als Pflicht verstanden. „Eine gesetzliche Verpflichtung zur Knickpflege gibt es jedoch nicht! Die Vorgabe, Knicks alle 10 – 15 Jahre auf den Stock zu setzen“ 4 hat eher appellativen Charakter und dient dem Schutz:

Das umfangreiche Skript wurde geschaffen, um einerseits die naturschutzfachliche und bürgerliche Interessen zu wahren, aber auch die Land-„Wirtschaft“ zu befrieden. Die oftmals im Eigentum der Landwirte befindlichen Knicks begrenzen die Äcker und Weiden. Die Ertragfähigkeit der Flächen (Abstände zum Rand, Befahrbarkeit bis zum Rand, etc.) soll und muss gewahrt bleiben. Hier greifen beispielsweise Regelungen, die Knickwallflanken zu mähen und Ränder seitlich zurückzuschneiden. Die Knicks alle 10-15 Jahre „auf den Stock zu setzen“ ist somit als positiv formuliertes Verbot zu sehen, es vorher und insbesondere in Brutschutzzeiten tunlichst unterbleiben zu lassen.

Knickpflege mit Augenmaß

Empfehlungen zur guten fachlichen Praxis

Sinn des Knickschutz und deren Pflege soll sein, dessen Struktur und das Ökosystem zu erhalten. Dazu gehört das regelmäßige einkürzen von Bäumen und Ausdünnen des Buschwerks. Das „Auf den Stock setzen“ sollte zeitversetzt und abschnittsweise erfolgen, so dass kein großräumiger „Kahlschlag“ entsteht.

Zu alten Baumreihen, fast Alleen ausgewachsene Knicks sind von besonderer ökologischer Bedeutung. „Sie auf den Stock zu setzen, birgt das Risiko, dass die Stümpfe nicht mehr ausreichend austreiben. Erfolgt nach dem Fällen der Bäume kein Stockausschlag, so sind Neupflanzungen vorzunehmen. Historische Strukturen und Gehölzarten mit geringem Stockausschlagvermögen (z.B. Ilex, Buche, [Eiche, A.d.R.]) sollten verschont bleiben. Vor Pflegemaßnahmen an zu Baumreihen durchgewachsenen Knicks sollte daher im Vorwege die zuständige untere Naturschutzbehörde konsultiert werden.“1

Von der rechtlichen Legitimierung einmal abgesehen, sollte genau überlegt werden, ob eine Fällung überhaupt sein muss! Diese Frage stellt sich insbesondere bei Bäumen und Knicks nahe Wohngebieten oder nahe Naturschutzgebieten (Vernetzung von Habitaten).

Der Knick als wertvolles Ökosystem. Grafik aus MELUND – „Knicks – Schleswig-Holsteins wilde Hecken“

„Knicks“ in Ortschaften – Gemeinden dürfen gestalten!

Gerade am Rande von Ortschaften oder innerhalb von Wohngebieten kommt Bäumen und altgewachsenen Knicks eine besondere Bedeutung zu: Sie prägen das Ortsbild, den Charakter einer Gemeinde. Sie sind das Alleinsstellungmerkmal, das einen Ort von Wohngebieten, die am Reißbrett entstanden sind, abhebt. Sie schützen nach außen, vor Verwehung und Extremwetterlagen, schaffen Lebensqualität für Mensch und Tier. Knickpflege ja – aber bitte mit Augenmaß, Herz und Verstand.

Landschaftsbestimmende & ortsbildprägende Biotopbäume sind geschützt

Beispiel Wobbenbüll – Nordfriesland

Ist das noch ein Knick oder eine Allee? Das jüngst geplante neue Wohngebiet schaffte offensichtlich Anlass zum „Aufräumen“. Die Allee am Ortseingang musste weichen, die Knicks bis zum Bürgerhuus und um den gesamten Platz drumrum sollen folgen.

Ablasshandel mit Ausgleichsmaßnahmen und Ökopunkten

Werden Knicks oder andere Biotope entfernt (Genehmigungspflicht!) oder Grünflächen zu Wohngebieten versiegelt, ist es gesetzlich Pflicht, für Ausgleich zu sorgen. Doch gerade in Bezug auf das Beispiel Wobbenbüll könnte man dieses Vorgehen als Ablasshandel bezeichnen. Ein „Freikaufen mit Ökopunkten“ dient zwar der Verfolgung und Erfüllung gesetzlicher Pflichten, aber auch der Beruhigung des Bürger-Gewissens. Freilich sind die Gemeindevorsteher einen legitimierten Weg gegangen – die „Idee“ und Initative „Aufzuräumen“ haben sie aber selbst zu tragen.

Der Mehr-Wert eines funktionierenden Ökosystems vor Ort, der optische Wert für die Anwohner oder kurz Lebensqualität ist nicht mit einem Zertifikat zu bezahlen, mit einer Fällung für Jahrzehnte unwiederbringlich verloren.

So en vogue der Naturschutz mit „Blühstreifen in Gemeinden“ oder „wilden Obstwiesen“ derzeit ist, stellt sich unsereins die Frage, ob damit tatsächlich das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge geschärft wird oder vielmehr das gewohnte Handeln mit „Blumen“ beschönigt wird.



Über die Kolumne:
„Dieser Beitrag ist der Kolumne – dem meinungswiedergebenden Genre, gepaart mit fachlichen Information zuzuordnen. Die emotionale Ausprägung in diesem Fall ist nicht nur meiner Verbundenheit zur Natur geschuldet. Mein Herz schlägt auch für die Heimat, die mir Wobbenbüll gibt. Wenn die Zerstörung der Alleen und Knicks bei uns mich so sehr bewegt, dass ich das Wort erhebe, so hat es doch darin sein einziges Gutes. Engagiere dich dafür, was du liebst. Wer schweigt, stimmt zu.“

Julia Rau, Wobbenbüll 2023


Quellen und Informationen (Primär/Sekundär):

1 Durchführungsbestimmung Knickschutz | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (MELUND) [PDF]

2 MELUND – „Knicks – Schleswig-Holsteins wilde Hecken“ | https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/V/Service/Broschueren/Broschueren_V/Umwelt/pdf/broschuereKnickschutz.pdf?__blob=publicatio

3 BUND – Was sind Knicks? | https://www.bund-sh.de/naturschutz/knicks/was-sind-knicks/

4 NABU SH – FAQ Knickschutz und Pflege | https://schleswig-holstein.nabu.de/natur-und-landschaft/knicks/knickschutz-und-pflege/20332.html

5 Zusammenfassung gesetzliche Grundlagen Knickschutz | https://www.bund-sh.de/naturschutz/knicks/gesetzliche-grundlagen/nFile&v=1

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